„Ein Skandal: Die neue deutschsprachige Gegenwartsliteratur kommt aus Amerika“. So wurde der Debütroman „Good Girl“ von Aria Aber in der Verlagsvorschau beworben. Über die passende Verwendung des Wortes „Skandal“ lässt sich sicherlich streiten. Gemeint ist in diesem Fall, dass die Autorin Aria Aber in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und jetzt in den USA lebt und dort veröffentlicht.
So wurde ihr Roman „Good Girl“ auch bereits auf Englisch in den USA veröffentlicht. Er steht mittlerweile auf der Longlist des Women‘s Prize for Fiction 2025.
Auch mir gefiel der als „ekstatisch wummerndes Loblied auf die verlorenen Intimitäten der Jugend“ bezeichnete Roman eigentlich gut. Ich möchte aber hier gleich einwenden, dass das auch sehr an meinen speziellen Leseinteressen liegt.
Sicherlich ist ein „Strudel von Sex, Drogen, Gewalt“, der auf 400 Seiten breit ausgewalzt wird, wirklich nicht für alle Leser*innen ein Vergnügen.
Der Schauplatz des Romans ist Berlin, genauer gesagt das wilde Nachtleben von Berlin. Hier versucht die junge Ich-Erzählerin Nila ihre Probleme zu vergessen und irgendwie ohne Orientierung weiter zu existieren.
„Ich war auf so viel Speed, dass die Bahnfahrt mich zunehmend paranoid machte, also versteckte ich mich hinter meiner Sonnenbrille, aber unter der Angst glühte die Wut wie ein uraltes Stück Kohle, das von der Grausamkeit meines Schicksals entfacht wurde.“
Ihren Freund*innen und Neubekanntschaften antwortet Nila „Griechenland“, wenn sie gefragt wird „woher sie wirklich kommt“. Dabei sind Nilas Eltern aus Afghanistan. Sie lebt nach dem Tod ihrer Mutter gemeinsam mit ihrem Vater in einer kleinen Wohnung.
Ihre Herkunft und Familie ist für Nila ein großer Quell der Scham und das Stigmas. Rassismus, Klassengesellschaft und Identität sind große Themen in Abers durchaus sehr gesellschaftskritischen Roman.
Good girl gone bad?
Einen großen Raum nimmt allerdings die Beziehung zwischen der Erzählerin und einem semiprominenten, amerikanischen Schriftsteller namens Marlow, den ich ich als abgehalftert beschreiben würde, ein. Die beiden lernen sich gleich auf den ersten Seiten des Romans kennen und beginnen eine …Beziehung.
Natürlich leuchten hier gleich mehrere red flags und fordern beim Lesen meine Geduld heraus.
Und das ist tatsächlich einer meiner Kritikpunkte. Für die eigentlich offensichtliche Erkenntnis, dass ein abgehalfterter Loser einer jungen Frau auf der Suche nach Orientierung keinen Halt bieten kann, hätte ich wesentlich weniger Leseseiten gebraucht. But well …der Weg ist das Ziel und in diesem Fall ist es eben Nilas Weg und Entwicklung.
Es ist weniger die Beschreibung einer dysfunktionalen Beziehung, die mir an Abers Roman gefällt. Es ist vielmehr das Porträt dieser jungen Frau, die stark mit ihrer Identität und Familiengeschichte kämpft und gleichzeitig die Trauer um ihre Mutter bewältigen muss. Gerade gegen Ende bekommt Nilas Geschichte und somit der Roman eine deutliche politische und kritische Komponente, die mir sehr gut gefällt. Und definitiv sind auch die Beschreibungen des wilden und exzessiven Nachtlebens in meinen ziemlich langweiligen Leben eine gern gelesene und spicy Zutat.
Ich würde „Good Girl“ nicht als einen Roman sehen, der allen Leser*innen gefällt und auch nicht unbedingt als Must-Read.
Ich hatte aber auf keinen Fall eine verschwendete Lesezeit und vielleicht lohnt sich auf für dich ein Blick.
„Jede Familie hat einen Fluch, und der Fluch meiner Familie bin ich.«“
Vielen lieben Dank an den Claassen Verlag von Ullstein Buchverlagen für das schöne Rezensionsexemplar. Danke und viel Erfolg an Aria Aber für den Roman!
Aus dem Englischen von Aria Aber
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