Dass mir Literatur in bayrischer Mundart durchaus gefallen kann, haben ich schon bei „Sauhund“ von Lion Christ gemerkt. Und das hat mir jetzt auch bei „HUNDSWUT“ von Daniel Alvarenga wieder richtig gut gefallen, auch wenn ich mit dem Dialekt ansonsten keine positiven Assoziationen habe.
Und obwohl mir schon früh klar war, wohin der Hase läuft, hat der Roman mich jetzt zum Schluss schon ein klein wenig zerstört,
Das Setting ist schnell umrissen: In einem kleinen Dorf in Bayern, wir schreiben das Jahr 1932, werden vier Jungendliche von einem Wolf getötet. ODER sind brutal ermordet worden. Und wurde vor einigen Jahren nicht schon der kleine Sohn des Köhlers von einem Wolf getötet…ODER…auch etwa ermordet?
Für den Gemeinderat ist schnell klar, dass hier Menschenhand am Werk war und auch wem Hand diese Hand gehört.
HUNDSWUT im Mensch oder im Tier?
Nämlich die Hand des Köhlers. Denn der Köhler ist ein Außenseiter im Dorf und wurde schon immer argwöhnisch beäugt. Er hat einen großen Hof geerbt, die schönste Frau der Region geheiratet. Er war sogar eine Weile weg um zu studieren.
Dass sich das Lebensglück nach dem Tod seines Sohnes und dem Selbstmord seiner Frau längst ins Gegenteil gekehrt hat, fällt da auch nicht weiter ins Gewicht. Und außerdem hat er das ja eh verdient.
Alvarenga zeichnet das Porträt einer eingeschworenen und traditionalisierten Dorfgemeinschaft, die Probleme gern unter sich löst. In der gesellschaftliche Verstöße streng mit sozialer Ausgrenzung geahndet werden. Die sozialen Hierarchien sind klar geregelt. Sie folgen im allgemeinen dem Motto: Des woar scho oiwei so und des hoam mia scho oiwei so gmacht.
Die Geschicke des Dorfes regeln im Hintergrund die mächtigen Männer unter sich. Das wären der Großbauer, der Bürgermeister und der Pfarrer. Frauen, Zugezogene oder Unangepasste haben nichts zu melden.
Und so werden auch die Todesfälle nicht nach München gemeldet, sondern es wird beschlossen, selbst wieder für Zucht und Ordnung zu sorgen.
Selbstjustiz mit dem Hexenhammer
Ich würde schon sagen, dass der Roman wirklich sehr spannend ist, obwohl die Geschichte eigentlich uralt und schon sehr oft literarisch ausgearbeitet wurde. Alvarengas Version zeichnet sich durch ein hohes Maß an Brutalität und genauer psychologischer Beobachtung aus. Dass ist wirklich sehr gelungen und erzeugt durch die Wahl der Zeit, in der die Handlung spielt, eine besondere Brisanz. 1932 ist der Vorabend der Nazizeit, die auch in dem kleinen Dorf bereits spürbar ist. Vor dem Hintergrund der aufkommenden braunen Ideologie enfaltet Alvarengas Roman eine ganz besondere Wirkung. Und gibt möglicherweise eine Ahnung, wie und warum Dorfbewohner*innen Menschen aus ihrer Mitte ausstoßen und dem Grauen überantworten können.
Für mich war es besonders diese Verbindung zu den geschichtlichen Ereignissen, die den Roman für mich von Spannungsunterhaltung zu spannender Literatur machte.
Ich würde dir den Roman auf jeden Fall weiterempfehlen, wenn du härtere und explizit gewaltsame Beschreibungen lesen kannst oder möchtest und auf die bayrische Dialoge vorbereitet bist.
Hörbuch und Hardcover von „HUNDSWUT“ erschienen 2024 bei Harper Collins.
P.S.: Du kannst das Hörbuch, das sensationell von Thomas Birnstiel gelesen wird, gerade mit deinem Spotify Abo hören!
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